Dezember 2016 – Deutsche und europäische Sozialpolitik
Europäische Staaten investieren einen Großteil ihrer jährlichen Steuereinnahmen in Sozialleistungen wie Altersrenten oder Arbeitslosenhilfe. Dabei sehen sie sich gewissen wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt – in Krisenzeiten können solche Ausgaben für betroffene Staaten belastend sein. Daher ist es häufig Bestandteil reger gesellschaftlicher Debatten, welche Leistungen aus-, ab- oder umgebaut werden sollen.
Im Mai und im August 2016 haben wir Sie zu verschiedenen Reformvorschlägen auf bundes- wie europapolitischer Ebene befragt. Einige interessante Ergebnisse möchten wir Ihnen hier vorstellen.
Wo sollte der Staat Leistungen ab- oder ausbauen?
Wir haben Sie gefragt, in welchem Bereich der Staat ihrer Meinung nach am ehesten Leistungen ausbauen bzw. abbauen sollte. Diese Grafik bildet jeweils prozentual die Verteilung der Antworten für einen Ausbau (blaue Balken) und einen Abbau (orangene Balken) ab.
Die überwiegende Mehrheit von 59 % der Befragten ist gegen jede Einsparung von Sozialleistungen. Am ehesten wird Sparpotenzial bei der Grundsicherung und der Arbeitsförderung für Arbeitslose mit 13 % bzw. 15 % gesehen. Nur sehr wenige Befragte finden, dass bei Kinderbetreuung, Gesundheitsleistungen, Altersrenten oder Bildung gespart werden sollte (zwischen 2 % und 5 %).
Insgesamt sind die Teilnehmer einem Ausbau staatlicher Leistungen gegenüber deutlich offener eingestellt als einem Leistungsabbau: Nur 5 % von Ihnen sehen in keinem der genannten Bereiche einen Bedarf für einen Leistungsausbau. Eine relative Mehrheit von 35 % der Befragten möchte, dass der Staat mehr in das Bildungswesen investiert. 26 % würden gerne mehr staatliche Investitionen in Altersrenten sehen und 12 % befürworten am ehesten einen Ausbau der Kinderbetreuung. Jeweils 10 % erwarten vor allem einen Ausbau der Gesundheitsleistungen bzw. der Arbeitsförderungsmaßnahmen für Arbeitslose. 3 % möchten am ehesten die Grundsicherung für Arbeitslose ausbauen.
Wie finden Sie den Vorschlag, ein geordnetes Insolvenzverfahren für die Länder der europäischen Währungsunion einzuführen?
Der zweite Vorschlag, zu dem wir Sie befragt haben, sieht die Einführung eines geordneten Insolvenzverfahrens für Staaten vor. Ein geordnetes Insolvenzverfahren existiert bisher im Zivilrecht und sieht im Fall der Zahlungsunfähigkeit einer Person ein Verfahren vor, in dem ein Insolvenzverwalter die Sanierung und Abwicklung des Haushalts übernimmt. Ein vergleichbares Verfahren gibt es für Staaten bisher noch nicht. Diese Reform zielt darauf ab, die Marktdisziplin (d. h. die Offenlegung der Finanzsituation eines Staats) zu stärken und letztlich einer nicht nachhaltigen Finanzpolitik entgegenzuwirken.
Die Idee eines geordneten Insolvenzverfahrens für die Länder der europäischen Währungsunion erhält größeren Zuspruch als die einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung. Sie findet bei 47 % der Befragten („sehr gut“ und „eher gut“) Zustimmung. 32 % haben eine neutrale Meinung zu dem Vorschlag, während 20 % („sehr schlecht“ und „eher schlecht“) diesen ablehnen.
Wie finden Sie den Vorschlag, eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung für die Länder der europäischen Währungsunion einzuführen?
Wir haben Sie zu zwei möglichen Reformvorschlägen bezüglich der Eurozone befragt. Der erste Vorschlag sieht die Einführung einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung für die Mitgliedsstaaten der Eurozone vor. Eine solche Reform sollte das Sozialsystem stützen, wenn die Währungsunion von asymmetrischen Schocks getroffen wird. Unter asymmetrischen Schocks versteht die Volkswirtschaftslehre plötzliche Ereignisse, die in bestimmten Ländern zu einer Veränderung in Angebot oder Nachfrage führen, in anderen Ländern aber keine oder geringere Effekte zeigen. Wir wollten wissen, wie hoch Ihre Zustimmung zu dieser Reformmaßnahme ausfällt.
Die Idee einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung für die Länder der europäischen Währungsunion lehnen die meisten von Ihnen ab. Sie findet bei 17 % der Befragten („sehr gut“ und „eher gut“) Zustimmung. 26 % haben eine neutrale Meinung zu dem Vorschlag, während 57 % („sehr schlecht“ und „eher schlecht“) diesen ablehnen.